Irmgard & Ortrud:
Mädchen gegen Generäle!
NEIN zu falschen Helden!

Kurze Geschichte der Von-Seeckt-Straße/Von-Einem-Straße in Essen-Rüttenscheid

Die Nationalsozialisten benannten die beiden Straßen am 20.11.1937 nach den beiden Reichswehrgenerälen. Aber warum wurden ausgerechnet diese beiden Straßen von den Nationalsozialisten umbenannt? Dazu muss zunächst die Geschichte der beiden Straßen betrachtet werden:

Ursprünglich, ab dem 19. Jahrhundert, hießen diese beiden Straßen als Teil des Rüttenscheider Mädchenviertels Henrietten- und Ottilienstraße. Als Rüttenscheid im Jahr 1905 in die Stadt Essen eingemeindet wurde, mussten die beiden Straßen umbenannt werden, weil es schon in der Innenstadt Straßen gleichen Namens gab.

Für die Rüttenscheider Verantwortlichen war es selbstverständlich, dass die beiden Straßen wiederum Mädchennamen erhielten: Nämlich Irmgard- und Ortrudstraße. Diese behielten sie knapp 30 Jahre lang: Bis die Nationalsozialisten sie 1937 auf die Generäle Hans von Seeckt und Karl von Einem umbenannten.

Bleibt die Frage: Warum genau diese beiden Straßen? Das ist heutzutage nicht so einfach zu beantworten! Vor 75 Jahren hätte man wahrscheinlich schnell eine Antwort erhalten, wenn man in den beiden Straßen an einigen Häusern geklingelt hätte:

Etwa bei Haus-Nr. 15 an der damals neu benannten Von-Einem-Straße: Dort wohnte Stadtoberinspektor Weiße; oder in Nr. 19 bei Stadtinspektor Hartmann. Weiter unten die Von-Einem-Straße entlang: In Haus-Nr. 27 hätte man bei Regierungsrat Umelung, Bezirksdirektor Unkel, Staatsanwalt Drüke oder Landgerichtsrat Holterhoff klingeln können. Und in Nr. 31 wäre Stadtbauamtmann Hofmann ein besonders kompetenter Ansprechpartner gewesen, weil er im für Straßen zuständigen Tiefbauamt Abteilungsleiter war.

Am einfachsten hätte man wohl in der Von-Seeckt-Str. 39 geklingelt: Denn dort wohnte Stadtrat Dr. Clemens Bender, der als Dezernent alle Angelegenheiten des Grundstücksamts verantwortete und damit auch für Straßenbenennungen zuständig war.

All diese Beschäftigen in wichtigen Ämtern und Verantwortungsstellen hätten wahrscheinlich sehr schnell gesagt, warum gerade diese beiden Straßen nach autoritäts- und ordnungsliebenden Generälen und nicht nach harmlosen Mädchennamen benannt wurden:

Es kann vermutet werden: Weil diese Personen es damals genauso wollten! Und sie konnten diesen mutmaßlichen Wunsch auch ganz einfach umsetzen, weil sie in den entscheidenden Stadtämtern wichtige Positionen besetzten, um diese Entscheidung so zu fällen. Und viele von ihnen besetzten diese Positionen auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg und halfen wahrscheinlich dabei mit, die beiden Straßen aus fadenscheinigen Gründen nicht rückzubennen - entgegen der Entmilitarisierungs-Anweisung Nr. 30 des Alliierten Kontrollrates und mehrerer entsprechender Aufforderungen des Innenministers von NRW und des Regierungspräsidenten (zur bewussten Obstruktions- und Ablenkungspolitik der Essener Stadtverwaltung gegenüber den vielfachen Aufforderungen vorgesetzter Behörden zur Rückbenennung der beiden Straßen vgl. Erwin Dickhoff: Die Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Straßennamen, In: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 1986/87 (H.101), 77-104, S. 88 f.).

Aber die Zeiten ändern sich: Heute sagen viele Anwohnerinnen und Anwohner in diesen beiden Straßen: Wir wollen diese Generäle nicht!