Irmgard & Ortrud:
Mädchen gegen Generäle!
NEIN zu falschen Helden!

Ergebnis des Bürgerentscheids

Pressemitteilung: Generäle statt Mädchen

Bürgerentscheid in Essen bestätigt nach einem Aufsehen erregenden Wahlkampf umstrittene Straßenbenennungen der Nationalsozialisten

In einem Bürgerentscheid am 3. Februar 2013 sprach sich eine große Mehrheit der Wahlberechtigten im Essener Stadtbezirk II gegen die Rückbenennung zweier Straßen aus. 1937 hatten die Nationalsozialisten die Irmgardstraße und die Ortrudstraße im Essener Mädchenviertel nach den Generälen Hans von Seeckt und Karl von Einem umbenannt. Damit wollten die damaligen Machthaber ihre antidemokratischen Vorbilder und Wegbereiter ehren sowie die Entzivilisierung und Militarisierung der Gesellschaft fördern.

Von Seeckt hatte das Heer in der Weimarer Republik zum demokratiefeindlichen „Staat im Staat“ umgebaut, mit der extremen Rechten offen sympathisiert und die Zerstörung Polens befürwortet. Von Einem war u.a. als preußischer Kriegsminister für den Völkermord an 65.000 Menschen in Namibia (damals Kolonie Deutsch-Südwestafrika) mitverantwortlich. Im Ersten Weltkrieg hatte er in Belgien Dörfer abbrennen und die Zivilbevölkerung unterschiedslos erschießen lassen. Beide Generäle hatten die Nationalsozialisten seit Beginn der 1930er Jahre aktiv und öffentlich protegiert.

Aus diesen historischen Gründen hatte die zuständige Bezirksvertretung mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken im Mai 2012 beschlossen, den beiden Straßen zum 75. Jahrestag der damaligen Umbenennungen wieder ihre Mädchennamen zurückzugeben. Die Netzwerkinitiative „Irmgard und Ortrud“ hat sich nach diesem demokratisch gefällten Beschluss aus einer gleichnamigen Anwohnerinitiative, Parteien, gesellschaftlichen und kulturellen Gruppierungen sowie engagierten Bürgern gegründet, um die Rückbenennungen zu unterstützen. Parallel formierte sich Widerstand von oppositionellen Parteien (CDU, FDP, den örtlichen Piraten und einer freien Liste (EBB)) sowie von der Anwohnerinitiative „Pro Von“, die den erwähnten Bürgerentscheid gegen die Rückbenennungen erwirkten.

Die Initiative „Irmgard und Ortrud“ bedauert die Entscheidung vom 3. Februar 2013 außerordentlich. Nach ihrer Auffassung passt es nicht zu einer weltoffenen, toleranten und demokratischen Gesellschaft, dass von Seeckt und von Einem durch Straßennamen geehrt werden. Für die Initiative „Irmgard und Ortrud“ war die eindeutig negative historische Rolle der beiden Generäle Kernpunkt ihrer Argumentation.

Weder die Expertise von Essener und auswärtigen Historikern noch Berichte über Recherchen und Informationsveranstaltungen fanden jedoch eine adäquate Berücksichtigung, auch nicht in der lokalen Medienberichterstattung. Die weitgehende Nichtbeachtung des eindeutigen wissenschaftlichen Sachstandes ist aus Sicht der Initiative enttäuschend und irritierend zugleich. Denn das überwältigende Votum des Essener Bürgerentscheids brachte zum 80. Jahrestag der Machtübergabe an Hitler das bizarre Resultat, dass der willkürliche Umbenennungsbeschluss der Essener Nationalsozialisten eine demokratische Legitimation durch die Bürger Essens erhält. Nicht zuletzt ist es eine ironische Fußnote der Geschichte, dass ausgerechnet diese beiden Herren, die Demokratie gescheut haben wie der Teufel das Weihwasser, aufgrund eines zutiefst demokratischen Prozesses weiter auf Essener Straßenschildern geehrt werden.

Die Initiative erkennt aber ausdrücklich an, dass die Entscheidung in einem demokratischen Prozess gefallen ist und bedankt sich bei all denjenigen, die dem Anliegen der Initiative viel tatkräftige Unterstützung und auch ihre Stimme verliehen haben. Trotz der gescheiterten Straßenrückbenennungen wird sie die Erinnerungsarbeit in den beiden Straßen fortsetzen. So möchte sie z.B. die Holocaust-Opfer der beiden Straßen, die zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in sogenannten „Judenhäusern“ zusammengezogen und anschließend in Vernichtungslagern ermordet wurden, mit Stolpersteinen ehren. Darüber hinaus will die Initiative aber auch mit allen Anwohnern im gutnachbarschaftlichen Gespräch bleiben.

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(Foto: Bundesarchiv)


(Foto: Bundesarchiv)